Mieten oder Kaufen? Diese Frage stellen sich derzeit viele Schweizer. Zwar verliefen auch im vergangenen Jahr – wie im Vorjahr – die Preissteigerungen bei Wohnimmobilien eher moderat – doch auch die Hypothekenkosten sind in der Schweiz angezogen. „Fachleute gehen aus den unterschiedlichsten Gründen aber auch davon aus, dass die Mietkosten ebenfalls anziehen werden“, meint Michael Oehme, Gallus.
Ende des vergangenen Jahres war Schweiz-Experte Michael Oehme, Gallus in seinem Beitrag darauf eingegangen, dass es vermutlich zu einer generellen Kehrtwende beim Thema „Mieten oder Kaufen“ in der Schweiz kommt. Die Neue Zürcher Zeitung hatte das Thema bereits im Sommer aufgegriffen und schrieb: „Dreizehn Jahre lang war es in der Schweiz günstiger, eine Wohnung zu kaufen als zu mieten. Mit dem jüngsten Zinsanstieg bei den Festhypotheken hat sich dies wieder geändert. Ob dadurch der Boom beim Wohneigentum stark gebremst wird, ist allerdings fraglich“. „Ob diese Tendenz allerdings bleibt, ist fraglich, denn inzwischen ziehen auch die Mietpreise wieder an“, so Michael Oehme, Gallus.
Michael Oehme; Gallus: Mietpreise steigen 2023
„Mieterinnen und Mieter werden sich dieses Jahr warm anziehen müssen und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen bestätigen Schweizer Hausverwalter, dass es zu einer Mietanpassung aufgrund der gestiegenen Heizkosten kommen wird – wenngleich diese nicht ansatzweise so hoch ausfällt wie im Nachbarland Deutschland in vielen Fällen. Zum anderen sorgt das geringe Angebot dafür, dass zumindest bei Neuvermietungen höhere Mietpreise aufgerufen werden. Und schließlich lässt die erwartete Steigerung des Referenzzinssatzes eine Steigerung der Bestandsmieten zu. Dieser basiert auf dem Durchschnittssatz der Hypothekarzinsen von Schweizer Banken und wird vierteljährlich durch das Bundesamt für Wohnungswesen festgelegt. Er ist also massgebend für Mietzinsanpassungen in bestehenden Mietverhältnissen“, erklärt Michael Oehme, Gallus.
Der für seine deutliche Sprache bekannt Schweizer Blick bringt es in einem aktuellen Beitrag bereits in der Überschrift auf den Punkt „Kostenschock an Wohnungsfront – Die Mieterhöhung betrifft die ganze Schweiz“. Der Blick zitiert dabei Fredy Hasenmaile (55), Immobilienexperte der Credit Suisse. Er sieht einen Anstieg besonders in der Metropole Zürich, der Zentralschweiz und dem Genferseeraum, da hier die Leerstände am tiefsten sind. Grundsätzlich hält Credit Suisse eine Steigerung der Angebotsmieten um 4 bis 4,5 Prozent bis Jahresende für möglich.
Michael Oehme, Gallus: Mietpreise historisch weniger gestiegen als in Deutschland
„Was viele nicht wissen: Die Mietpreise in der Schweiz haben sich in den letzten zehn Jahren bei weitem nicht so dramatisch entwickelt, wie beispielsweise in Deutschland – schon gar nicht, wenn man sie ins Verhältnis zu den Durchschnittseinkommen setzt“, erklärt Michael Oehme. Dies zeigen die Statistiken. So stieg der Preis für eine Durchschnittswohnung in der Gesamtschweiz zwischen der Jahrtausendwende und dem Jahr 2020 von 1059 Schweizer Franken auf 1373 Schweizer Franken – also innerhalb von 30 Jahren gerade einmal um knapp 30 Prozent. Dagegen haben sich die Mieten in vielen größeren Städten Deutschlands allein in den letzten Jahren oft mehr als verdoppelt. Da sich die Nachfrage hierdurch auf die Peripherie verlagerte, stiegen auch hier die Preise überdurchschnittlich. Lediglich Regionen mit ungenügender Infrastruktur und fehlendem Arbeitsplatzangebot kann man noch als günstig einstufen.
Schweizer profitieren von hohen verfügbaren Einkommen
Interessant wird der Vergleich der Mietpreise dann, wenn man einen Einkommensvergleich zwischen der Schweiz und Deutschland vornimmt. So sind die Einkommen in der Schweiz zwischen 2007 und 2018 spürbar gestiegen. Dies gilt sowohl für das Durchschnittseinkommen wie auch für das Medianeinkommen. Der durchschnittliche Haushalt konnte somit von der positiven Wirtschaftsentwicklung profitieren. Das mittlere Reineinkommen (Median) der Schweizer Haushalte beträgt rund 53 000 CHF. Im Beobachtungszeitraum ist dieses um 3’900 CHF angestiegen (+7,9 % total, +0,8 % pro Jahr). (Quelle: cler.ch).
Die Reallöhne sind in Deutschland zwischen 1991 und 2019 um lediglich 12,3 Prozent gestiegen, obwohl sich die Nominallohnsteigerung auf 60,7 Prozent belief. Zurückzuführen ist dies auf die Entwicklung der Verbraucherpreise (Steigerung um 48,1 Prozent zwischen 1991 und 2019), die die jährlichen Raten der Reallohnentwicklung nivellierten. Zwischen 2000 und 2009 war sogar ein kontinuierliches Sinken der Reallöhne zu beobachten (deutsches Modell der Lohnmoderation), weil die Inflationsrate (Steigerungsrate der Verbraucherpreise) beinahe durchweg über der Nominallohnrate lag.
Schweizer Unternehmen zahlen vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer durchschnittlich 6.538 CHF brutto im Monat (~6.015 Euro monatlich – Stand Juni 2020). Nirgendwo auf der Welt werden im Durchschnitt höhere Gehälter gezahlt. Im direkten Vergleich schließt Deutschland sehr viel schlechter ab. Die Durchschnittslöhne liegen bei nur knapp 3.770 Euro monatlich. „Im Verhältnis zu den Einkommen sind Mieten in der Schweiz also noch bezahlbar und haben sich zudem moderater entwickelt. Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass der Zug aus dem Ausland in die Schweiz bei Weitem nicht so hoch war wie in Deutschland und auch deutlich weniger durch Transferzahlungen (beispielsweise durch die Länder und Gemeinden) subventioniert und damit verzerrt wurde. Dieser Trend hat sich in den letzten Jahren noch verschärft“, so Michael Oehme, Gallus.
Michael Oehme, Gallus: Viele Schweizer sehen Entwicklung gelassen
„Dass sich die Mieten in der Schweiz erhöhen dürften, steht außer Zweifel. Wie dargestellt, treffen diese Erhöhungen auf eine Mieterschaft, die sich das leisten kann. Interessant ist dabei, dass die Erhöhungen der Hypothekendarlehen bislang kaum auf die Nachfrage im Eigentumsbereich auswirken. Die Schweiz zeichnet sich durch einen Sonderfall aus: Denn die Nachfrage nach Miet- oder Kaufimmobilien wird eher durch das vorhandene, regionale Angebot – oder besser gesagt, nicht vorhandene Angebot – getrieben. Da werden sich, wie in der Vergangenheit auch, Mieter und Käufer am Markt orientieren“, meint Michael Oehme.